Das Ehrenmal der Stadt Velbert – Geschichte eines Baudenkmals
Das im Jahre 1930 eingeweihte Ehrenmal wurde ursprünglich zum Gedenken an die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs errichtet. Im Laufe der Jahrzehnte wurden weitere Ereignisse integriert und Inschriften erweitert, um damit auch späteren Gefallenen zu gedenken. Das im Jahre 2008 als Denkmal aufgenommene Bauwerk ist heute ein Ort der Trauer und ein Mahnmal für eine friedliche Zukunft.
1914–1918: Erster Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg 1914–1918 hatte weite Teile Europas in Schutt und Asche gelegt, manche Landstriche für Jahrzehnte verwüstet. 13 Millionen Zivilisten und 9 Millionen Soldaten der beteiligten Nationen waren ums Leben gekommen. Das Deutsche Reich hatte zwei Millionen Gefallene zu beklagen. 873 aus der damals etwa 25.000 Einwohner zählenden Stadt Velbert stammende Soldaten waren gefallen. Schon bald kam in Velbert, wie überall in den involvierten Nationen, der Wunsch bei den Hinterbliebenen auf, der gefallenen Soldaten mit Soldatenfriedhöfen und Ehrenmalen zu gedenken.
1920: Erste Initiative für ein Denkmal
Schon 1920, inmitten der politischen Unruhen der Weimarer Republik, führten erste Überlegungen der Stadt Velbert angesichts eines fehlenden Ehrenfriedhofs oder eines Denkmals für die Gefallenen der Stadt dazu, eine würdige Erinnerungsstätte errichten zu wollen. Bürgermeister Dr. Leo Tweer (1881–1960) berief einen aus Velberter Fabrikanten, Politikern, Verbandsvertretern und Bürgern bestehenden „Ehrenmalausschuss“ ins Leben. Dieser hatte zum Ziel, ein Ehrenmal für die Velberter Gefallenen des Ersten Weltkriegs zu errichten. Bürgermeister und Ausschussmitglieder waren davon überzeugt, dass nur durch die „Opfergabe der Allgemeinheit“ ein Ehrenmal zu realisieren war.
Am 11. Juli 1928 verabschiedete die Stadtverordnetensitzung eine Vorlage, in der 5.000 Reichsmark zur Durchführung eines Architekturwettbewerbs für das Ehrenmal bewilligt wurden. Die Kosten für das Ehrenmal wurden mit 30.000 Reichsmark veranschlagt. Ab dem Sommer 1928 wurden zu diesem Zweck Spendengelder gesammelt: Zahlreiche Bürger, Vereine und Unternehmen beteiligten sich mit 57.000 Reichsmark.
1928–1929: Das Bauwerk und seine Realisierung
Die Gestaltung des Ehrenmals stand somit im Fokus der Öffentlichkeit. Im Rahmen des Architekturwettbewerbs hatten die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Velbert am 22. Oktober 1928 die Möglichkeit, rund 120 eingereichte Entwürfe zu begutachten. Das Preisgericht entschied sich für den Entwurf von Josef Wentzler (1884–1942) aus dem Architektenbüro Strunck und Wentzler. Die eindrucksvolle Schlichtheit des geplanten Ehrenmals und das herausragende Säulenmal (Stele) waren offenbar ausschlaggebend.
Als Standort der Anlage war der Rand des Offerbuschs gewählt worden. Eine Grünanlage trennt sie von der Poststraße und ein Hauptzugangsweg führte zur Stadtmitte, wodurch die Anlage ausgesprochen „präsent“ war. Das ursprüngliche Bauwerk bestand aus einer 100 m langen Stützmauer aus Hefeler Sandstein mit acht eingelassenen Basaltplatten, auf denen die Namen der Gefallenen des Ersten Weltkriegs verzeichnet waren. Vorgelagerte Freitreppen sowie ein Torbogen mit Treppenaufgang führen auf das Plateau des Bauwerks. Im Torbogen befand sich zunächst ein Wandbrunnen. Dieser wurde in einer späteren baulichen Veränderung entfernt und durch ein heute noch vorhandenes „Eisernes Kreuz“ für die Kriege 1864, 1866 und 1870–1871 ersetzt.
Auf der Plattform wurde eine 9 m hohe Stele aus Basalt errichtet. Diese trug als plastisches Bildwerk einen „deutschen Adler“ mit zum Flug erhobenen Schwingen. Die Stele wurde mit der Inschrift versehen: Aus unserem Grabe Wachse der Glaube an Deutschland.
Die Velberter Morgen-Zeitung brachte am 8. Februar 1930 darüber mit dem damaligen Zeitgeist zum Ausdruck, dass dieser den „deutschen Aar mit zum Fluge ausgebreiteten Schwingen darstellt, womit der Wiederaufstieg Deutschlands aus der Gruft der Toten versinnbildlicht werden soll.“ Die endgültigen Kosten für das Bauwerk beliefen sich auf 64.325.68 Reichsmark.
1930: Einweihung
Am 29. Juni 1930, fast 12 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, wurde das Ehrenmal unter großer Anteilnahme der Bevölkerung eingeweiht. Damit hatte die Stadt Velbert ihren Wunsch nach einer zentralen Gedenkstätte für die Opfer der letzten Kriege verwirklicht. Dem Zeitgeist entsprechend war ein Gedenken an zivile Opfer und an die vielen anderen Gewaltopfer des Krieges nicht miteinbezogen.
1930–1945: Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs
Das Ehrenmal wurde 1930 in die Hände der Stadt Velbert übergeben. Die bei dieser Gelegenheit erarbeiteten Richtlinien grenzten die Nutzung des Ehrenmals nur zur Gefallenenehrung ein. Nachdem am 1. März 1925 erstmals der Volkstrauertag in Deutschland für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen stattgefunden hatte, bestimmten 1934 die nationalsozialistischen Machthaber durch ein Gesetz den Volkstrauertag zum Staatsfeiertag und benannten ihn „Heldengedenktag“. Der Charakter des Andenkens wurde vollständig verändert: Auch in Velbert standen nicht mehr Trauer und Totengedenken im Mittelpunkt, sondern die „Heldenverehrung“.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Der Zweite Weltkrieg und sein Verlauf gaben bald Anlass, das Velberter Ehrenmal zu erweitern: Um 900 aus Velbert stammende Soldaten hatten ihr Leben gelassen. Diese wurden nun nicht mehr namentlich erwähnt, ergänzt wurde lediglich die Inschrift auf der Stele: Unseren Toten der Kriege 1914–1918, 1939–1945 - Stadt Velbert
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hielt man zunächst an der Bedeutung des Volkstrauertags fest. Zunächst zögerlich, dann aber zunehmend, veränderte sich im Nachkriegsdeutschland die Gedenkkultur. Bundespräsident Gauck formulierte in einer bewegenden Rede zum Volkstrauertag 2016 in Kassel die Verantwortung Deutschlands für den Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt. In dieser neuen Gedenkkultur wird nicht nur den gefallenen Soldaten der Weltkriege gedacht, sondern auch aller Opfer von Gewalt, Verfolgung und Terrorismus.
2008 bis heute: Wirkung und Bedeutung des Denkmals
Am 23. September 2008 wurde das Ehrenmal in die Liste der Baudenkmäler der Stadt Velbert aufgenommen. Eine schon zu diesem Zeitpunkt notwendige Restaurierung konnte jedoch aufgrund fehlender Fördermittel nicht eingeleitet werden. Daher entschieden sich die Technischen Betriebe Velbert als Eigentümer, die Sanierung und Umgestaltung des Baudenkmals selbstständig zu finanzieren. Ab November 2023 begannen die Baumaßnahmen unter der Leitung der Architektin Sabine Essler, die unter anderem einen familiären Bezug zu dem Baudenkmal hat.
Doch welche Bedeutung hat dieses Ehrenmal für die Menschen der heutigen Zeit? Denkmäler zeigen einen Zeitgeist, der sich von der aktuellen Situation der Gesellschaft unterscheidet. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem bis heute kaum veränderten Ehrenmal ist daher unausweichlich.
Unerwähnt sind hier bis heute die zivilen Opfer, vor allem aber die Opfer des Nationalsozialismus und der Gewaltherrschaft, die Entrechteten, Verfolgten und Ermordeten. Die beiden Weltkriege können nicht als „Ehre“ empfunden werden, vielmehr müssen sie als Mahnung verstanden werden. Nicht der toten Militärangehörigen allein darf gedacht werden, sondern letztlich der Opfer der Kriege und der Gewaltherrschaft aller Nationen. Dies gilt bis in die heutige Zeit, leider auch mit einem Blick auf das über Jahrzehnte so vermeintlich „friedliche“ Europa. Das Denkmal ist damit ein Ort der Auseinandersetzung mit der Geschichte der vergangenen und aktuellen Kriege. Es ist kein Ort der „Ehre“, sondern ein Ort der Trauer.
Das Ehrenmal erinnert uns nicht nur an die Opfer der Vergangenheit, sondern mahnt uns, für eine Zukunft des Friedens einzustehen.
Text und Konzept: Bergischer Geschichtsverein, Abteilung Velbert Hardenberg e. V. (Tobias Glittenberg, Dr. Yvonne Gönster, Jürgen Lohbeck, Klaus Saeger, Henri Schmidt)
